Die Ethnologie vertritt - anders als benachbarte Wissenschaften wie etwa die Soziologie - einen totalitätsorientierten Kulturbegriff. Das bedeutet: In den Augen von Ethnolog_innen gibt es keinen Bereich der Gesellschaft, der nicht kulturell ist. Egal ob Politik, Wirtschaft, Religion, Sport oder Kunst - jedes menschliche Denken und Handeln, das in irgendeiner Form mit kollektiven Vorstellungen, Werten oder Normen in Verbindung steht, ist Kultur. So stellen z.B. Staaten kulturelle Regeln in Form von Gesetzen auf, Sportvereine folgen kulturellen Konventionen in Form von Vereins- oder Spielregeln und selbst einzelne Familien haben ihre eigene Kultur, indem sie Normen für das 'richtige' Verhalten am Abendbrotstisch oder die gemeinsame Erledigung des Haushalts etablieren.
Früher galt die Ethnologie (damals hieß sie noch Völkerkunde) als die Wissenschaft von fremden Kulturen. Ihr Interesse richtete sich dabei besonders auf 'staatenlose' Gesellschaften in den damaligen europäischen Kolonialgebieten, z.B. in Afrika, Amerika oder Asien. Als Wissenschaft hat die Ethnologie erheblich von der Kolonialisierung der Welt profitiert und sie hat überdies auch aktiv dazu beigetragen, dass sich rassistische Stereotype in den europäischen Gesellschaften verbreiten konnten. Dieses problematische Kapitel der Wissenschaftsgeschichte ist fachintern intensiv aufgearbeitet worden. Moderne Ethnolog_innen haben aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt. Sie untersuchen das Phänomen Kultur heute in den unterschiedlichsten Kontexten, so z.B. in Krankenhäusern, Wirtschaftsunternehmen oder politischen Bewegungen. Sie interessieren sich nach wie vor für 'fremde' Gellschaften, aber mittlerweile auch ebenso sehr für die eigene Gesellschaft.
Es ist eine Besonderheit der Ethnologie, dass sie versucht, kulturelle Denk- und Handlungsweisen aus sich selbst heraus zu verstehen. Mit ihrer emischen Perspektive wollen Ethnolog_innen kulturelle Weltanschauungen aus der Sicht ihrer jeweiligen Anhänger_innen begreifen, ohne sich dabei von den eigenen Vorurteilen irreführen zu lassen. Eine solche Vorgehensweise erfordert nicht nur Einfühlungsvermögen in die jeweils andere Kultur, sie setzt auch eine intensive Beschäftigung mit der eigenen Kultur sowie einen selbstkritischen Umgang mit den eigenen, kulturell vorgeprägten 'Bildern im Kopf' voraus.
Ethnologische Forschungsarbeiten (etwa zum Thema Migration, ethnische Konflikte oder Nationalismus) sind von großer gesellschaftlicher Relevanz und von praktischem Wert für die unterschiedlichsten Anwendungsgebiete. Leider sind sie jedoch aus verschiedenen Gründen nur einem recht kleinen Personenkreis zugänglich. Ihr gesellschaftliches Potenzial bleibt weitgehend unerkannt. Vor diesem Hintergrund haben es sich Vertreter_innen der angewandten Ethnologie zum Ziel gesetzt, ethnologische Fachexpertise stärker an die Öffentlichkeit zu tragen und in neuen Kontexten (außerhalb der wissenschaftlichen Sphäre) nutzbar zu machen. Solche Kontexte sind zum Beispiel Beratung, Coaching und Mediation aber auch Entwicklungszusammenarbeit, Organisationsentwicklung, Tourismus oder Marketing. Ein weiteres wichtiges Feld ist der Bereich der außeruniversitären Bildung, z.B. in Form von inter- bzw. transkulturellen Trainings.
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Dr. phil. Satu Fischer-Kongtso | Trainerin für interkulturelle Kompetenz & Antirassismus
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